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South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe

South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe

Vier Stunden lang haben wir in Berlin das neue South Park angespielt und müssen uns jetzt erst einmal unseren Mund ausspülen gehen.

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Als mein siebenjähriges Ich damals das Internet entdeckte, hatte es viel zu viel Spaß mit einem Charaktereditor gehabt, mit dem man selbstständig South Park-Figuren erstellen konnte. Mit den wenigen herrlich überladenen Versatzstücken eine eigene Cartoon-Figur zu basteln war damals ziemlich cool, immerhin hätte die locker auch in der berüchtigten Fernsehserie gezeigt werden können. Viele Jahre später saß ich vergangene Woche auf einem Berliner Anspielevent für das neue South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe und wurde erneut von dem einfachen Editor verzaubert. Interessanterweise versteckt sich dort bereits die erste Gemeinheit, die meinem politischen Selbstverständnis einen bösen Lacher entlockte. Ein Regler für den Schwierigkeitsgrad legt fest, wie dunkel die Hautfarbe des neuen Kindes wird. Wer das Spiel auf schwer spielt wird wortwörtlich schwarz...

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South Park: Die rektakuläre ZerreißprobeSouth Park: Die rektakuläre Zerreißprobe

South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe beginnt mit vielen herumtollenden Kindern im kunterbunten Fantasie-Setting, doch der als Waschbär verkleidete Cartman sprengt die Party und will lieber Superhelden spielen. Um weiterhin bei den coolen Kids abzuhängen muss sich das neue Kind (also wir) in der heroischen Hierarchie nach oben kämpfen und Coonman in seiner Höhle beweisen, dass es ein würdiges Mitglied ist. Wie jeder coole Superheld müssen wir anschließend unser Gefolge ausweiten und deshalb Follower auf Coonstagram sammeln. Da nicht alle Bewohner des Ortes sofort mit uns vor der Kamera posieren wollen, müssen wir viele Botengänge und Nebenmissionen abschließen, um an die begehrten Selfies zu gelangen. Wie weit sich das Minispiel auf die Geschichte auswirkt, lässt sich nach unserer Anspielsitzung nicht abschließend beurteilen. Es war jedoch auffällig, dass die mediale Thematik schon nach wenigen Missionen nicht mehr erwähnt wurde.

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Zugegebenermaßen wird diese Mechanik ohnehin recht schnell überblendet, da die Kämpfe in den Vordergrund rücken. South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe läuft wie sein Vorgänger rundenbasiert ab, allerdings gibt es eine Änderung. Die individuellen Statuswerte entscheiden darüber, wann sich die Teilnehmer mit ihren Aktionen abwechseln. Nahkampf- Gebiets- und Zeiteffekt-Angriffe sind an das Spielfeldgitter gebunden, was schnell sehr strategisch wird und in einem Gefecht stets beachtet werden muss, um die Gefahrenherde einzuschätzen. Besonders die Gebietsangriffe scheinen eine wichtige Rolle im Verlauf des Spiels zu bekommen, da wir nicht nur auf forderndere Gegner mit fieseren Angriffsvariationen stoßen, sondern diese auch in höherer Anzahl anrücken. Das alles im Auge zu behalten, ist angesichts der vielen möglichen Charakterklassen und deren Variationen nicht gerade leicht und erfordert einiges an Spielkenntnis.

Abhängig von unserer gewählten Superheldenklasse erhalten wir Zugriff auf vier unterschiedliche Fertigkeiten, die sich zusätzlich anpassen lassen (später wählen wir weitere Klassen). Eine davon ist die ultimative Fähigkeit, die sich während des Kampfes automatisch auflädt und, sobald vollgeladen, einmalig von einem der Teammitglieder entfesselt werden darf (und sehr cool inszeniert wird). Ich hatte nach drei Stunden einen netten Elementarmagier, beisammen, der großflächige Feuer-, Frost- und Erdzauber heraufbeschwören konnte und sich Gegner mit bösen Statuseffekten vom Leib hielt. Uns stehen bis zu zwölf Verbündete im Kampf zur Seite, die sich wahrscheinlich nicht derart umfassend anpassen lassen, wie unsere eigene Figur, doch die pure Auswahl stellt uns bereits viele interessante Möglichkeiten zur Verfügung. Jeweils drei Charaktere gehen pro Kampf mit uns auf das Spielfeld und es ist egal, falls eine Figur stirbt, da alles nur gespielt ist - dazu komme ich später noch.

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South Park: Die rektakuläre ZerreißprobeSouth Park: Die rektakuläre Zerreißprobe
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Der Kampf nimmt aufgrund seines langsamen Strategiecharakters viel Spielzeit ein, dürfte dank der umfangreichen Spieltiefe und des sinnvoll eingebundenen South Park-Charmes jedoch nicht so schnell langweilig werden. Die Kreativität der Vorlage wird herrlich übertrieben inszeniert und das sorgte zumindest in den ersten vier Stunden bei fast allen Teilnehmern immer mal wieder für Lacher. Auch neben dem Kampf bietet South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe einiges an Inhalt. Die Weltkarte ist ziemlich umfangreich und bietet uns etliche Areale, die wir ausgiebig erkunden können. Zudem steht uns jedes Haus offen, was viele weitere lustige und interessante Szenarien bereithält. Einige Gebiete bleiben vorerst verschlossen, bis wir die nötigen Fähigkeiten besitzen, um uns Zugang zu verschaffen. Obendrauf warten überall Sammelobjekte und ulkige Geheimnisse auf uns. Es gibt tatsächlich eine Minispielreihe, bei der wir in wechselnden Schwierigkeitsgraden in jedes Klo der Stadt kacken sollen...

Das übergeordnete Thema des Kinderspiels hat mir insgesamt fast am meisten gefallen. Egal ob Schüler, die betrunkenen Hillbillies, Priester und die Raisins - fast alle Bewohner von South Park sind in diese kindliche Thematik integriert und halten sich fair an die Regeln. Aus Platzgründen wird häufig auf der Straße gekämpft und da das kein typischer Ort für ein Spielfeld ist, fahren eben ab und zu auch Autos vorbei. Sollte eines auftauchen, halten alle Kämpfer inne und verlassen umgehend die Straße. Ist die Gefahr vorüber, kehrt jeder wieder an seine jeweilige Position zurück und spielt weiter, als wäre nichts passiert. Der Gedanke geht sogar so weit, dass die „K.O. geschlagenen" Spieler selbstständig das Schlachtfeld verlassen, damit sich die anderen Figuren nicht verletzen. Angesichts der schieren Omnipräsenz geballter Kraftausdrücke und vulgären Entgleisungen jeglicher Art ist diese Kleinigkeit konträr und furchtbar niedlich gemacht.

South Park wird für seine gesellschaftskritische Darstellung von sensiblen Themen, für seinen bitterschwarzen Humor und die häufig wirklich kreativ geratenen Sprüche gefeiert. Ich mag an der Serie am meisten die schöpferische Vielfalt, mit der Matt Stone und Trey Parker alle Themen in den Fokus rücken. Obwohl mich die überspitzten Darstellungen persönlich nicht sonderlich ansprechen, musste ich natürlich trotzdem lachen, als man mich mit zwei zwielichtigen Priestern in einen dunklen Raum einsperrte und die Geistlichen sich einen Rosenkranz aus dem Hintern zogen, wenn sie Angriffe vorbereiteten. Das ist nur eines der vielen obskuren Ereignisse, die ich in den ersten paar Stunden mit South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe erlebte und das ist sicher erst der Anfang. Ich wurde zum Sammeln schwuler Anime-Zeichnungen verdonnert und musste mich mehrmals schmerzhaft an ein wahrhaft traumatisches Ereignis aus meiner Kindheit zurückbesinnen (das ich an dieser Stelle aber nicht vorwegnehmen möchte). Das neue South Park könnte genau das werden, worauf die vielen Fans so lange gewartet haben. Und dass unter der vulgären Fassade ein richtig gutes Spielgerüst steckt, ist für Gamer doppelt gut.

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Photo: Ubisoft

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