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Kann Arkane Studios mit diesem ambitionierten Reboot den Kultklassiker Prey wiederaufleben lassen?

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Nach der grandiosen Dishonored-Fortsetzung aus dem vergangenen Jahr hat sich Arkane auf ein neues Produktionshoch erhoben. Nach nur sechs Monaten veröffentlicht das Studio nämlich schon ihr nächstes Spiel. Mit Prey haben sie das sichere Terrain der Erde hinter sich gelassen und dringen in die unendlichen Weiten des Weltraums ein. In der Leere des Alls schwebt die verlassene Raumstation Talos 1, die als Örtlichkeit für das immersive Horrorspiel herhält. Angst und eine echte Herausforderung versteht Prey als Kernelemente seines Spieldesigns.

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Das Design der Spielwelt ist fantastisch, das Weltraum-Setting frisch und faszinierend.

Die studioeigene Grafikpracht präsentiert Prey in Hülle und Fülle, und alles schaut einfach fantastisch aus. Talos 1 ist ein wunderschöner und bezaubernder Ort im Weltall, dem es ein bisschen an Kohärenz fehlt und der ab und zu ganz schön frustriert. Doch nichtsdestotrotz sind Nuancen, Details und die Absichten der Entwickler grandios in diese Konstruktion eingegangen. Die Spieler werden schnell bemerken, dass das hier die Arbeit vom selben Studio ist, das auch Dunwall und Karnaca geschaffen hat und trotz offensichtlicher Unterschiede im Setting und der Tonalität, ist es ein ganz unverkennbar eine Arkane-Produktion.

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Was Prey unterscheidet, auch abseits der Science-Fiction, ist das Level der Herausforderung. In Dishonored waren Corvo und Emily die Jäger, in Prey sind wir sehr oft der Gnade unserer Feinde ausgeliefert. Das sind die finsteren Typhon, die Talos 1 übernommen und infiziert haben. Einige dieser fremdartigen Geschöpfe, über die wir während unseres Spielverlaufs stolpern werden, sind unfassbar mächtig und erfordern viel Übung, sowie meist mehrere Anläufe, um sie überhaupt zu überwinden. Meistens ist diese Herausforderung ganz konkret impliziert, auch wenn sich die Schwierigkeits-Spitzen manchmal so anfühlen, als wären sie nur dazu da, um die Erfahrung zu verlängern.

Einige Typhon sind leicht zu besiegen, denn häufig reicht es schon, die Beine in die Hand zu nehmen. Wenn das Vorbeirennen scheitert, müssen durchtriebene Taktiken entwickelt werden, denn Einfallsreichtum wird belohnt. Arkane hat uns alles gegeben, das wir zum Beenden dieser Herausforderung benötigen, allerdings liegt die Lösung unserer Probleme meist nicht direkt in den uns zur Verfügung stehenden Werkzeugen, sondern in der kreativen und manchmal auch irrationalen Verwendung eben dieser Hilfsmittel. Die gleiche Taktik mehrmals hintereinander anzuwenden, wird nicht jedes Mal glücken, denn je mehr Feinde wir in unserem Abenteuer begegnen, desto komplizierter gestaltet sich unser Versuch zu überleben.

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Es gibt Bereiche ohne Schwerkraft, die uns den Atem socken lassen.
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Die Typhon sind ein großartiger Feind und sie kommen in etlichen Variationen und Formen. Sie duplizieren sich, sie nehmen andere Form an, sie benutzen elementare Mächte und irgendwann sogar Psychokräfte. Diese mysteriösen Kreaturen sind lange Zeit Gefangene auf der Talos 1 gewesen und das "gewesen" verrät uns schon eine ganze Menge darüber, wie dieser ganze Vorfall so grotesk außer Kontrolle geraten konnte. Nun liegt es an uns, in der Rolle des Action-gestählten Wissenschaftlers Morgan Yu die gängige Ordnung auf die eine oder andere Art wiederherzustellen. Morgan kann sowohl männlich als auch weiblich sein, sich für ein Geschlecht zu entscheiden hat jedoch keinen echten Einfluss auf die Geschichte.

Morgan hat viel Potential und mithilfe sogenannter Neuromods können wir uns auf eine Vielzahl interessanter Möglichkeiten spezialisieren. Unsere Tester aus dem Netzwerk finden den Charakterfortschritt etwas zu langsam, denn nicht nur Mike hat ziemlich lange dafür gebraucht, um die vielen Fähigkeiten und Upgrades zu verstehen. Genauso gut könnte man jedoch argumentieren, dass Arkane ein so tiefgreifendes Fortschrittssystem geschaffen hat und das Studio für eben diese Aspekte loben. Die Rate mit der wir neue Fähigkeiten freischalten und modifizieren, hat uns jedoch generell ein bisschen zu lange gedauert. Dieses Gefühl kommt vor allem aus der schwierigen Herausforderung und dem Gedanken, dass wir frühe Begegnungen sehr viel stressfreier überwältigen hätten können, wenn wir diese Kräfte entsprechend früher bekommen hätten.

Spielerentscheidungen sind ein zentrales Design-Element von Arkane und dieser langsame aber stetig wachsende Verlauf an weiteren Möglichkeiten, mündet sehr deutlich in einem zweiten Spieldurchlauf mit einem anderen Fokus. Doch selbst wenn wir das in unsere Rechnung miteinbeziehen, liefert das ausgefeilte Upgrade-System bereits mehr als genug Gründe, um ein spielerfreundlicheres Freischaltungs-System zu rechtfertigen. Neuromods gewähren uns spielverändernde Fähigkeiten und nach einer Weile können wir die Typhon scannen und diese Informationen für unsere eigenen Alien-Kräfte nutzen.

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Im Gegensatz zu Dishonored sind wir in Prey nie der Jäger und das hohe Anforderungsniveau zeigt das zu jeder Zeit sehr deutlich.

Bei der Wahl, wie man seinen Morgan spielen möchte, haben wir viel Entscheidungsfreiheit. Die allerwichtigste Frage ist deshalb, ob man menschlich bleibt oder langsam zu einem Alien wird. Diese zweite Option schaltet eine ganze Reihe neuer Fähigkeiten frei, wie etwa das Verwandeln in Gegenstände aus der Umgebung. Aber sobald wir unsere DNA verändern, reagieren auch die Verteidigungsanlagen der Station. Mit Chipsätzen kann Morgan noch weiter ausgebaut werden, das System funktioniert ähnlich der Knochenartefakte aus Dishonored. Dann wären da noch Waffen, denen man ebenfalls Upgrades verpassen darf, Granaten unterschiedlichen Typs und ein Crafting-System, mit dem man den Schrott auf der Station wiederverwerten kann. Wir haben also mehr als genug Optionen, alle spielrelevanten Bereiche nach unseren persönlichen Präferenzen anzupassen.

Die Kämpfe sind herausfordernd. Munition ist knapp und das sorgt dafür, dass jede Begegnung und Aktion mit Bedacht angegangen werden sollte. Mit genügend Schrotflinten und Patronen kann man vielleicht eine Gegnergruppe ausschalten, aber mit einer halbleeren, schallgedämpften Pistole ist eher das Schleichen angesagt. Die wichtigste Knarre des Spiels macht keinen Schaden. Die Gloo-Kanone feuert einen selbsthärtenden Schaum ab, mit dem wir Gegner an Ort und Stelle festkleben dürfen oder mit dem wir uns unterwegs ein paar Stufen ballern, um an unerreichbare Plattformen zu gelangen. Die Vergleiche mit Bioshock sind unvermeidbar, denn schon der Dekor-Stil von Talos 1 erinnert an Bioshocks Splicer-Shooter. Die Spiele sind vielleicht verwandt, aber Prey ist nicht das Bioshock im Weltraum, wie so viele vermutet haben. Horror und Survival stehen hier ganz klar im Mittelpunkt.

Der enttäuschendste Teil von Prey ist die Interaktion mit der KI. Die Gegner lassen sich nicht so einfach manipulieren, wie in Dishonored oder Bioshock. Abgesehen von den Türmen der Station können sie nicht gegen eine zweite Fraktion ausgespielt werden, diesen Spaß finden wir hier also auch nicht. Dass die Typhon manchmal ziemlich dämlich agieren, macht die Sache auch nicht besser. Wer unter einem Tisch hockt, wird häufig nicht von den Aliens gesehen, doch beim normalen Schleichen wird ein Fehler gerne mal hart und deutlich bestraft.

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Ästhetisch erinnert Prey an Bioshock, doch Arkane legt den Fokus dieser Erfahrung auf Horror und das Überleben.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Verteilung der Herausforderungen. Das liegt an den Spitzen beim Schwierigkeitsgrad und dem Druck, der damit einhergeht. Es liegt auch an der häufig großen Distanz zu sicheren Ruhezonen, in denen wir unsere Munition und Medikits auffüllen. Ein Raum voller Typhon mit bester Bewaffnung zu säubern, das braucht schon mal mehrere Versuche, aber schlecht ausgerüstet geht der Schwierigkeitsgrad steil durchs Dach. Dadurch habe ich mir bei Prey angewöhnt, schon bei minimalen Fortschritten Quicksaves anzulegen und das stört den Spielfluss ganz erheblich.

Vielleicht ist das Meckern auf hohem Niveau, denn der Rest von Prey gefällt mir außerordentlich. Das Reisen durch die Schwerelosigkeit und die Kämpfe sind (meistens) gut, der Mix der Gameplay-Systeme funktioniert toll und das visuelle Design ist fantastisch. Auch die Feinde sind interessant und fordernd. Manchmal ziehen sich die Ladezeiten ein wenig, aber alles scheint gut optimiert zu sein und Hintergrund und Story sind durchdacht und spannend inszeniert. Prey ist auf viele Arten ein Erfolg und bietet eine komplexe Herausforderung, durch die die Spieler in neue und begeisternde Richtungen gedrängt werden. Leider halten ein paar schlechte Designentscheidungen das Spiel zurück. Das Tempo hätte anders sein müssen und ein paar mehr Ruhepausen hätten dem Titel gut getan, auch um die vielen Spielsysteme im richtigen Tempo zu erkunden.

Prey ist ein sehr gutes Spiel, aber kein außerordentlicher Meilenstein. Es ist ein Riesenspaß in diesem Weltraumabenteuer jede Ecke der Station zu erkunden und die fiesen Aliens zu bekämpfen, aber manchmal hätte ich mir die Dinge eben ein wenig anders gewünscht. Wenn der Titel einen aber erst einmal gepackt hat, ist er wirklich brillant. Das tolle visuelle Design zeigt zusammen mit dem interessanten Gameplay das Talent von Arkane. Prey wird vielleicht kein Klassiker, aber es macht genug Dinge richtig, um eure Aufmerksamkeit verdient zu haben. Und bitte hört euch den phänomenalen Soundtrack an, der trägt die Atmosphäre quasi im Alleingang.

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Die Typhon haben Talos 1 überrannt, doch Morgan Yu ist der Retter der Stunde.
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Wunderschönes Design der Spielwelt; tiefgreifendes Fortschrittssystem; herausfordernder Kampf; faszinierendes Setting; fantastische Feinde
-
Einige Herausforderungen sind frustrierend schwer; KI ist dümmer als ein Haufen Schrauben.
overall score
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