Deutsch
Gamereactor
Kritiken
Rapala Pro Bass Fishing

Rapala Pro Bass Fishing

Es muss komisch für die Menschen auf der anderen Seite der Straße aussehen, die irritiert zu meinem Bürofenster gucken. Ich sitze mit einer für sie optisch eindeutig zu kurzen Angelrute aus Plastik am Schreibtisch und fuchtele wild hin- und her. Was sie nicht sehen: Ich drille gerade einen fast acht Kilogramm schweren Hecht aus dem Schilf in Richtung meines Bootes.

Die Versicherungsangestellten von Gegenüber halten mich vermutlich für geistesgestört, ich amüsiere mich derweil richtig gut. Angelspiele, hach, mein eigenes, kleines Fetisch-Genre. Sega Bass Fishing für Dreamcast hat mich damals angefixt, vor allem wegen des tollen Controllers und der schicken Grafik. Leider gab es damals nur eine Fischart - so etwas sieht heute bei Rapala Pro Bass Fishing zum Glück ganz anders aus.

30 wunderbar animierte Arten schwimmen zahlreich im Wasser umher, darunter verschiedene Karpfen, Aale, Hechte, Zander, Barsche, Störe, Quappen, Welse und Forellen. Und seit Jahren wird endlich mal wieder ein brauchbarer Angel-Controller mitgeliefert, der vor allem endlich kabellos mit Xbox 360, PS3 und Wii kommuniziert.

Die Bewegungssensoren der ordentlich verarbeiteten Plastikrute arbeiten wirklich okay. Das Spiel unterscheidet korrekt zwischen acht verschiedenen Einholtechniken. Man kann einfach stupide mit angestellter Rute schnell einkurbeln oder zum Beispiel geschickte Links-Rechts-Bewegungen machen oder den Ködern immer wieder durchsacken lassen. Die Einholtechniken für Profis werden erst nach und nach freigeschaltet, so dass es tatsächlich eine Lernkurve in dem Spiel gibt. Einen Bonus gibt's für die Entwickler, weil sie daran gedacht haben, die Kurbel so zu bauen, dass man sie für Rechts- oder Linkshänder anschrauben kann.

Rapala Pro Bass Fishing
Je höher der Schwierigkeitsgrad, umso springfreudiger die Barsche - die Fische sind allesamt schön animiert.

Als Angelprofi ist mir die Lernkurve natürlich fast ein bisschen egal, ich platziere den Wobbler von Anfang an gekonnt mit einem Unterhand- oder Überkopfwurf direkt unter dem Steg. Sobald der Köder ins Wasser klatscht, wechselt die Perspektive vom Boot unter Wasser. Nun heißt es kurbeln, kurbeln, kurbeln. Wer das analog zu den Anforderungen der vorher gewählten Technik richtig macht, wird mit einem blitzenden Köder belohnt - und der Biss des Zielfisches folgt meist kurze Zeit später.

Werbung:

Das Haken und Drillen der Fische ist ebenso abhängig von der Rutenhaltung. Es ist nicht so einfach, einen Fisch perfekt zu haken, was wiederum den Drill enorm erleichtert. Mit steigendem Schwierigkeitsgrad werden die Fische und die Herausforderungen beim Drill größer. Es gilt dann zum Beispiel, mit korrekten Tastenkombinationen Fluchtversuche zu vereiteln. Anfänger, Profi und Legendär müssen nacheinander absolviert werden - und gerade auf der letzen Stufe ist der Drill mehr und mehr ein Geduldsspiel. Ein kleiner Haken in der rechten, unteren Bildecke zeigt einem übrigens an, wie gut und wo genau der der Fisch gehakt wurde.

Die 30 Fischarten sind allesamt schön animiert und gestaltet. Die Grafik besonders unter Wasser ist durchaus realistisch, auch wenn die Unterwasserflora bisweilen etwas arg reduziert dargestellt ist. Vielleicht liegt‘s auch nur am glasklaren Wasser der sieben nordamerikanische Süßwasserseen. Die Seen sind teilweise ziemlich groß und bieten viele offensichtliche und weniger offensichtliche Angelstellen. Die offensichtlichen werden durch Punkte auf dem GPS oder herumkreisende Vögel angezeigt, die versteckten muss man mit dem Echolot-Fischfinder suchen. Im freien Modus sind alle Seen übrigens sofort verfügbar, im Karriere-Wettkampf dürfen sie erst nach und nach beangelt werden. Ich würde mich ja über eine Version mit deutschen Fischen und deutschen Gewässern freuen, aber Renkenfischen im Bodensee, Dorschangeln vom Kutter in der Nordsee oder die Meerforellenjagd an der dänischen Ostseeküste bleiben wohl erstmal ein Wunschtraum.

Rapala Pro Bass Fishing
Vom Boot aus geht's an die Angelstellen auf den teils großflächigen US-Süßwasserseen.

Dafür kann man im glasklaren Wasser der Seen bewundern, wie lebensecht die Fische den Köder attackieren. Sie folgen ihm oder schießen von unten aus dem Kraut nach oben in den Blinker hinein. Das war schon ein Schreckmoment, als der große Zander meinen Wobbler jagte und mir dann plötzlich ein untermaßiger Zander aus der Tiefe in die Parade schoss. Für jeden Fisch gibt's übrigens einen passenden Köder. Die Auswahl ist groß, aber auf das Sortiment des Equipmentherstellers Rapala begrenzt. Oberflächenköder, Flachläufer, Tiefläufer und Köder mit variabler Lauftiefe sind dabei. Manche davon lassen sich nur mit bestimmten Techniken führen und fischen und werden erst im Verlauf des Karrieremodus freigeschaltet. Aber sie sind der Weg zu den 30 Monsterfischen. Von jeder Fischart versteckt sich nämlich irgendwo ein legendäres Monster mit Namen wie Streusel der Forellenbarsch oder Lou der Seestör. Zusätzlich zum Köder beeinflussen noch Rute und Rolle sowie Angelschnüre die Erfolgswahrscheinlichkeit für das Fangen bestimmter Fischarten.

Werbung:

Doch auch das insgesamt tolle Rapala Pro Bass Fishing hat so seine Problemzonen. Die hässlichen Videosequenzen hätten sie sich besser komplett geschenkt, ebenso wie die schlimme "Musik", die es in rockig oder ruhig gibt, wobei ruhig genau den gleichen lizenzfrei nutzbaren Müll runterdudelt wie bei World Series of Poker: Tournament of Champions. Zum Glück kann man den Schrott ausblenden. Der Zweispielermodus ist bestenfalls brauchbar, schade daran ist vor allem, dass die Unterwasser-Ansicht beim Einholen des Köders und dem Drillen der Fische auf dem Bildschirm eines kleinen GPS stattfindet. Das nimmt dem ganzen ziemlich viel von seinem Charme. Was mich am meisten nervt, ist die Tatsache, dass es keine Rumble-Funktion im Angel-Controller gibt und sich die Fische alle gleich "schwer" anfühlen. Es gibt keinen Unterschied zwischen einem 20 Kilo schweren Felsenbarsch und einem 90-Gramm-Streifenbarsch. Letzterer hat sogar erbitterter gekämpft als ein kapitaler getüpfelter Gabelwels.

Natürlich ist Rapala Pro Bass Fishing keine klassische Angelsimulation, sondern eher ein Arcade-Angelspiel. Man muss nie ewig auf den Biss eines Fisches warten, weil alle Arten gestapelt in den Seen stehen. Aber darum macht es ja auch so viel Spaß - und der steht hier im Vordergrund.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Guter Angel-Controller, viele schön animierte Fischarten
-
Schlimme Musik, hässliche Videosequenzen, nur US-Gewässer
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte

2
Rapala Pro Bass FishingScore

Rapala Pro Bass Fishing

KRITIK. Von Christian Gaca

Activision schenkt dem Zubehörmarkt einen neuen Angel-Controller und mir wieder stundenlanges Konsolenangelvergnügen.



Lädt nächsten Inhalt