Der Frosch lehnt ab: "In der Mitte des Flusses wirst Du mich stechen und ich werde untergehen!" Der Skorpion: "Wenn Du untergehst, sterben wir beide. Warum sollte ich das tun?" Der Frosch willigt ein. In der Mitte des Flusses holt der Skorpion aus und sticht den Frosch. Im Todeskampf fragt der Frosch den Skorpion: "Warum hast Du das getan. Jetzt sterben wir beide!" Der Skorpion: "Ich bin ein Skorpion. Ich kann nicht anders..."
Der namenlose Driver (Ryan Gosling) trägt einen riesigen goldenen Skorpion auf dem Rücken seiner Jacke. Er ist ein Mann ohne Geschichte, ohne Eigenschaften, ohne viele Worte. Tagsüber Mechaniker und Stuntman, nachts Fluchtwagenfahrer für Kleinkriminelle in Los Angeles. Als er auf seine Nachbarin, die porzellanhaft zerbrechliche Irene (Carey Mulligan) trifft, entspinnt sich für den Driver unvermittelt eine scheinbar ausweglose Spirale aus schmutzigen Ritualen des Westküsten-Mobs, Gewalt und Tod.
Der Driver weicht nicht zurück, ganz so, als sei er der Skorpion, der nicht anders kann. Aber je tiefer der blutige Sumpf wird, durch den er schwimmt, umso mehr wird er der Frosch, der nicht wahrhaben will, dass es gegen den Willen der Anderen kein Entkommen gibt.
Die Kritik nannte Drive einen "Instant Classic", einen Film, der schon bei seiner Premiere den Status eines Klassikers hat. Das ist nicht über- trieben. Gosling verkörpert mit Zahnstocher im Mundwinkel und nur einer Handvoll gesprochener Sätze grandios den Lonesome Rider, wechselt gekonnt zwischen Beschützer und martialischem Gewalttäter. Mulligan und der gesamte Cast in der zweiten Reihe (Bryan Cranston, Albert Brooks, Christina Hendricks) stehen ihm in nichts nach.
Die Inszenierung taucht L.A. in einen seltsam zeitlosen Neon-Chic, dessen Plastikhaftigkeit im Blutrausch über und über besudelt wird. Dennoch ist Drive weder Splatter noch Mafia-Epos, sondern eine Fabel voller Brüche über Schicksal und Selbstbestimmung, über Frösche und Skorpione eben.