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Metal Gear Solid V: The Phantom Pain

Der mysteriöse Herr Kojima

Wir haben mit dem legendären Erfinder von Metal Gear Solid gesprochen. Dabei hat er uns nicht nur an seinen Gedanken zur neuen Konsolengeneration teilhaben lassen.

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Ich traf Hideo Kojima bereits vor ein paar Jahren auf der E3. Auf der Bühne spielte gerade Activision sein aufwendiges Musikprogramm mit Jay-Z und Eminem, wenn ich mich richtig erinnere. Kojima wirkt etwas überrascht von den lauten, nun hereinströmenden Europäern, die schon ein paar Bier an diesem Abend getrunken hatten. Vielleicht ist es sogar ein Kulturschock und wir entfernen uns schnell von der doch reichlich unangenehmen Situation. Beim Gehen denke ich noch, dass es womöglich auch die überschwänglichen Fans sind, die dazu geführt haben, dass Kojima so stark geschützt wird.

Dieses Jahr treffen wir uns unter eher - sagen wir mal - kontrollierten Umständen. Während ich über den Tisch zu dem Metal Gear-Erfinder hinüberblicke, kann ich nicht anders, als zu glauben, dass irgendwo hinter dieser emotionslosen Maske ein Mann ist, der wirklich will, dass wir seinen Hinweisen folgen und seine Anspielungen selbst entschlüsseln. Jedes seiner Worte wirkt wohl überlegt. Aber blickt man zwischen seinem Gesicht und dem seines steifen Übersetzers hin und her, ist es schwer zu sagen, ob er das Ganze ernst nimmt oder doch ein bisschen Spaß hat. Doch dazu später mehr, lasst mich vorher ein Bild der Szene zeichnen.

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Metal Gear Solid V: The Phantom Pain
Hideo Kojima ist eine der Industrie-Legenden, die die Anzahl ihrer Interviews während der E3 selbst bestimmen.
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Hideo Kojima ist eine der Industrie-Legenden, die die Anzahl ihrer Interviews während der E3 selbst bestimmen. Er muss nicht ein Gespräch nach dem anderen absolvieren an allen drei Tagen der Messe. Vielleicht macht er eine Handvoll Sessions, vielleicht verbringt er auch den ganzen Nachmittag damit. Unser Interview findet in einem überfüllten Raum im Hinterzimmer von Konamis E3-Stand statt. Ein paar Vertreter von Konami selbst, vier weitere Journalisten, ein Übersetzer und Hideo Kojima finden sich hier an einem runden Tisch zusammen. Mit einer Zeitbegrenzung von einer halben Stunde ist natürlich klar, dass wir nur wenige Fragen stellen können - vielleicht maximal drei. Der nötige Druck ist also schon mal aufgebaut.

Neugierig über die missverständliche Ankündigung von Metal Gear Solid V: The Phantom Pain frage ich Hideo Kojima zunächst nach seiner Motivation hinter der ersten Ankündigung zu Ground Zeroes im August 2012, dem darauf folgenden The Phantom Pain im Dezember 2012 und schließlich Metal Gear Solid V: The Phantom Pain im März diesen Jahres.

"Wir wollten Ground Zeroes zu diesem Zeitpunkt noch nicht enthüllen. Aber es war das 25-jährige Metal-Gear-Jubiläum und wir mussten etwas zeigen, dass wir noch nie zuvor gezeigt hatten. Da blieben nur die Fox Engine und Ground Zeroes - und obwohl noch nicht die Zeit gekommen war, dir wir im Sinn gehabt hatten, veröffentlichten wir es", antwortet er höflich.

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Und fährt fort: "Zu diesem Zeitpunkt gab es nicht so viel Bewegung im Technologiebereich der Spiele. Deshalb dachten wir, wir versuchen es mit dem Guerrilla-Weg und veröffentlichen die Fox Engine. Und so entstand auch die Idee zu Moby Dicks Studios. Für mich war es ein bisschen kindlicher Humor, so ein mysteriöses Studio zu gründen und The Phantom Pain zu kreieren. Aber natürlich war es schon zu diesem Zeitpunkt Metal Gear Solid V, es wurde nur als The Phantom Pain enthüllt. Und zu sehen, wie die Leute darauf reagierten und anfingen zu diskutieren auf Twitter und wo nicht noch - wie sich das entwickelt hat, war auf eine Art ein gutes Experiment für uns.

Und am Ende wollten wir natürlich auch wissen, wie die Leute auf die Fox Engine reagieren würde, ohne die Namen - ohne Konami, Kojima Productions und ohne Metal Gear Solid im Hintergrund. Wir wollten sehen, wie sie reagieren und welches Feedback wir von den Fans und der Industrie bekommen würden, bevor es veröffentlicht wurde. Wir haben uns gefragt, wie es wohl sein würde und es hat sich gezeigt, dass es sehr gut war", und dann erklärt er, wie es der Titel trotzdem in die Show der Video Games Awards geschafft hat. "Um den Titel in die Show der Video Games Awards zu bekommen, wo er das erste Mal angekündigt wurde, mussten wir dem Produzenten natürlich verraten, dass The Phantom Pain ein Metal Gear Solid ist. Aber er war die einzige Person, die davon wusste."

„All die positive Aufmerksamkeit für das Spiel, das nur von Moby Dick Studios stammt, einem Studio, das noch nie zuvor etwas veröffentlicht hatte, machte mich sehr glücklich. Zu dem Zeitpunkt, als wir unseren Trailer an die Video Games Awards schickten, wussten die Juroren, die entscheiden, welcher Clip es in das letztendliche Programm schafft, nicht, dass es von uns war. Zu wissen, dass es sich um Metal Gear Solid handelt, hätte es vielleicht etwas leichter gemacht, aber so war es natürlich eine große Ehre für uns."

Metal Gear Solid V: The Phantom PainMetal Gear Solid V: The Phantom Pain
"Für mich war es ein bisschen kindlicher Humor, so ein mysteriöses Studio zu gründen und The Phantom Pain zu kreieren."

Der Aspekt einer offenen Spielwelt in Metal Gear Solid V: The Phantom Pain ist vielleicht die größte Chance in der Geschichte des Franchises, frage ich halb schwadronierend.

"Soweit es die Spielentwicklung betrifft, ist eine offene Welt sehr umfangreich. Betrachtet man die Umgebungen, sind die sehr weitläufig. Und in Bezug auf diese neuen Welten muss man sich ein entsprechendes Design überlegen und deshalb ist die Entwicklung wesentlich umfangreicher als bei den vorherigen Teilen", doziert Kojima zur Thematik. "Um den Ablauf effizienter zu gestalten, bietet die Fox Engine den Level-Designern die Möglichkeit, Terrains bis zu einem gewissen Punkt selbst zu gestalten. Das Ergebnis können sie dann den Game-Designer zeigen, die so nicht alles selbst entwickeln oder jedes Model der Umgebung einzeln zeichnen müssen.

Die früheren Metal Gears boten eine lineare Geschichte mit linearem Spiel-Design. Alles, was die Designer wollten, wurde auch umgesetzt. Wollten sie eine Explosion, dann gab es die auch genau an dieser Stelle. In einem offenen Spiel entscheiden aber die Spieler, wohin sie gehen, wie sie in Missionen vorgehen. Das erzeugt eine Simulation einer Unterwanderung des Linearen und eben ein realistisches Spionage-Action-Spiel. Den Spielern die Möglichkeit zu geben, frei vorzugehen und zu wählen, welche Waffen sie einsetzen und welche nicht - das ist ein komplett anderes Spielprinzip.

Metal Gear Solid V: The Phantom Pain
"Den Spielern die Möglichkeit zu geben, frei vorzugehen und zu wählen, welche Waffen sie einsetzen und welche nicht - das ist ein komplett anderes Spielprinzip."

In punkto Story hat sich die Entwicklung auch geändert. In einem linearen Spiel erzählt man die Geschichte chronologisch und lässt es eben linear ablaufen. In einem offenen Spiel sammeln die Spieler selbstständig Informationen und kreieren die Geschichte, die erzählt werden soll. Die Reihenfolge spielt also keine Rolle, die Story wird durch die gesammelten Informationen erzählt. Das ist ein großer Unterschied."

Wie sich nun herausstellt, ist einer der Journalisten gar kein Journalist, sondern ein Fan Kojimas aus der Türkei. Wie er sich bis zu diesem Termin durchmogeln konnte, bleibt ein Rätsel - immerhin sind die Interviewplätze rar. Er drückt seine Bewunderung für Kojima aus und erklärt, wie Metal Gear sein Leben verändert hätte. Wäre nicht passiert, was dann abgelaufen ist, hätte mich diese Unterbrechung sicher genervt. Es stellt sich aber heraus, dass sein Beitrag zu dieser Geschichte nicht unbedeutend ist. Weil er keine Frage stellen will, gibt er lieber ein paar Statements ab. Zuerst bittet er Kojima, keinen Metal Gear Solid-Film zu produzieren, weil der ganz einfach nicht mit der Erzählung der Spiele würde mithalten können. Danach fordert er Remakes der ersten beiden Spiele mit der Fox Engine.

Hideo Kojima beginnt, einige bekannte Fakten über den Metal Gear Solid-Film aufzuzählen und versichert, dass seine Mitarbeit und Ambitionen den Spielfilm zu einer tollen Erfahrung machen werden. Zu der zweiten Anmerkung erklärt Kojima, dass er tatsächlich auf der Suche nach einem möglichen Studio gewesen sei, das die ersten Titel mit der Fox Engine neu auflegen könne. Natürlich, so Kojima, müssten auch die Mechaniken überarbeitet werden. Trotzdem hält er an einem zweiten Remake fest, dass auf Metal Gear Solid: The Twin Snakes für den Gamecube und das HD-Update folgt.

Metal Gear Solid V: The Phantom Pain
Für uns geht es nicht um bessere Grafik. Wir freuen uns eher auf die Tatsache, dass wir nun mehrere Geräte nutzen können."

Mit einem Blick auf die neuen Konsolen Playstation 4 und Xbox One, die unangefochten die E3 dominieren, frage ich Hideo Kojima, welche neuen Möglichkeiten sich für ihn als Entwickler ergeben.

"Für uns geht es nicht um bessere Grafik. Wir freuen uns eher auf die Tatsache, dass wir nun mehrere Geräte nutzen können. Ob nun Smartphone oder Tablet, Metal Gear Solid V: The Phantom Pain lässt sich darauf spielen und mit der Spielerfahrung der Konsole kombinieren. Die Leute können also im Grunde 24 Stunden rund um die Uhr in die Welt von Metal Gear Solid eintauchen - wann immer sie wollen."

Der Kollege links von mir stellt die Next-Gen-Frage noch einmal etwas konkreter. Playstation 4 oder Xbox One - was ist Hideo Kojima persönlich lieber.

"Ich denke, ich werde beide kaufen. Aber vermutlich, wird man mir beide schicken", sagt Kojima mit trockenem Humor und im Raum bricht Gelächter aus. "Ausgehend vom Preis aber wohl die Playstation 4", fügt er noch hinzu. Würde man dieses Zitat für sich allein veröffentlich, würde es vermutlich für eine Bevorzugung der Playstation 4 im preislichen Vergleich zur Xbox One sprechen. Im Kontext allerdings, wirkt es doch eher wie ein Scherz von der Entwicklerlegende.

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Der Gegner im Spiel? ""Ich kann nicht sagen, wer es ist. Aber es ist vermutlich genau die Person, die ihr erwartet."

Für viele Spekulationen sorgte auch im Vorfeld der E3 die Ankündigung, dass Kiefer Sutherland nun statt David Hayter Snake synchronisieren würde. Zunächst will sich Kojima nicht zu dieser Entscheidung äußern. Er merkt jedoch an, dass es sich um keinen Austausch im Stile eines James Bond-Wechsels von Sean Connery zu Roger Moore handelt. Um Snake zu repräsentieren, würden eine Stimme allein nicht mehr ausreichen. Die Figur verlange nun nach anderen Fähigkeiten und einem Schauspieler, der eine Rundum-Performance abliefern kann.

Schließlich kann einer der Journalisten nicht mehr an sich halten und fragt, gegen wen sich Snake in seinem neuen Abenteuer nun wird behaupten müssen. "Ich kann nicht sagen, wer es ist. Aber es ist vermutlich genau die Person, die ihr erwartet", sagt Kojima und es kommt mir so vor, als würde sich ein feines Lächeln auf den Lippen des japanischen Entwicklers abzeichnen.

Das wäre das Ende der Geschichte gewesen, hätte uns nicht noch einer der PR-Vertreter nach dem Gespräch aufgesucht. Er will sicher gehen, dass wir Kojimas Kommentar über die neue Konsolengeneration nicht aus dem Zusammenhang veröffentlichen und besteht darauf, dass erwähnt wird, in welch' scherzhaftem Ton die Aussagen getroffen wurden. Klar, es hätte auch nicht besonders gut gewirkt, wäre Hideo Kojima zitiert worden, wie er offiziell die Playstation 4 bevorzugt - immerhin hatte er doch die Microsoft-Pressekonferenz eröffnet. Wir gehen mit dem Eindruck, dass noch mehr hinter dieser Beziehung zwischen Hideo Kojima und Microsoft steckt, als auf der E3 bisher verraten wurde. Sicher würde Microsoft seinen Konferenz-Eröffner nicht ohne einen Hauch von Exklusivität entlassen, oder?

Metal Gear Solid V: The Phantom Pain erscheint für Playstation 3 und Playstation 4 sowie Xbox 360 und Xbox One. Eine PC-Version wurde noch nicht offiziell bestätigt, ist aber noch immer möglich. Ground Zeroes wird als Prolog beschrieben, der uns an das neue Gameplay von Metal Gear Solid V: The Phantom Pain heranführen soll. Details über die Form und den Zeitpunkt der Veröffentlichung von Ground Zeroes gab es allerdings noch nicht.

Wer noch mehr zum Lebenswerk von Hideo Kojima wissen will, der Artikel Like a Boss: Die Metal Gear-Story beleuchtet das Gesamtwerk des Ausnahmeentwicklers.

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