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The Last Guardian

The Last Guardian

Und, hat sich das zehnjährige Warten gelohnt? Nun, kurz gesagt: natürlich nicht. Aber das Abenteuer von einem Jungen und einem Biest ist dennoch ziemlich atemberaubend.

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Die am häufigsten gestellte Frage über The Last Guardian lautet: Haben sich all die Jahre des Wartens gelohnt? Nun, kurz gesagt: natürlich nicht. Es ist weder das größte Spiel aller Zeiten noch ist es ein Meisterstück. Wer diese unrealistische Erwartung hatte, erlebt eine massive Enttäuschung mit The Last Guardian. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die eine Katastrophe vorhergesagt haben - und auch die liegen falsch. The Last Guardian ist "einfach nur" ein gutes Spiel, ein besonderes Erlebnis, das es verdient hat, gespielt zu werden. Trotz einiger Fehler.

Das Erbe des großen Fumito Ueda, Erfinder von Ico und Shadow of the Colossus, ist während des Spiels immer offensichtlich. Tatsächlich scheint The Last Guardian fast zwischen diesen zwei Spielen eingebettet zu sein. Wie in Ico erforschen wir eine riesige, mittelalterlich inspirierte Struktur, die mit einigen bizarren Technologie gespickt ist. Wir erarbeiten uns einen Weg über Plattformen und Puzzle, während wir einen Jungen steuern. Der große Unterschied zu Ico ist, dass wir anstelle eines zerbrechlichen Mädchens dieses Mal von Trico begleitet werden, einem riesigen Geschöpf, das einer der Kolosse in Shadow of the Colossus hätte sein können.

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Die Tatsache, dass Tricos Verhalten so glaubwürdig ist, ist möglicherweise der größte Triumph des Spiels und seiner Schöpfer.
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Trico ist der Star von The Last Guardian und möglicherweise der größte Grund für die aufeinanderfolgenden Verzögerungen des Spiels. Es ist die lebendigste Kreatur, die ich je in einem Videospiel erlebt habe, fast beängstigend. Die brillante KI wird von unzähligen Details großer Qualität begleitet, die dabei helfen, die Glaubwürdigkeit der Kreatur zu entwickeln. Generell erstaunt die Qualität der Animationen, dann das Ohrenwackeln oder die Art, wie Trico mit Fässern und Objekten spielt, wie verwirrt die Kreatur manchmal den Jungen ansieht und die zahlreichen Klänge, die sie in verschiedenen Zusammenhängen produziert - das alles sind alle Elemente, die sich in dieser fantastischen Kreatur vereinen.

Die Glaubwürdigkeit von Tricos Animationen und Tönen ist beeindruckend, aber es ist das Verhalten im Spiel, das einem die Illusion verkauft, es mit einer lebendigen Kreatur zu tun zu haben. Spiele haben selten den Mut, auf KI gesteuerte Charaktere zu setzen, die uns als Spieler für längere Zeit begleiten. Meistens erlebt man recht schnell bizarres Verhalten dieser Begleiter, sie bleiben irgendwo stecken oder blockieren einem den Weg. Stellt euch nun vor, dass diese Figur die Größe eines Hauses hat und zwischen zahlreichen Plattformen hin und her springen, mit Objekten interagiert und kleine, schmale Passagen durchlaufen muss. Die Tatsache, dass Tricos Verhalten so glaubwürdig ist, ohne die gerade genannten Probleme zu produzieren, ist möglicherweise der größte Triumph des Spiels und seiner Schöpfer.

Wir können Trico nie direkt kontrollieren, dürfen aber bestimmte Dinge vorschlagen. Der Junge hat vier Aktionen, die er ausführen kann - springen, schieben, hocken und interagieren, jeweils über die Dualshock-Buttons. Wenn man R1 gedrückt hält (einmal antippen ruft Trico) und eine der vier Tasten drückt, schlägt man Trico vor, eine der vier Aktionen des Jungen auszuführen. Es gibt Puzzle, die diese Aktionen erfordern, und das Spiel macht es nicht sehr deutlich, dass man diese Vorschläge machen kann. Also immer dran denken!

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Das Gameplay, das Design und der Kontext sind gut und interessant, aber auch nicht mehr als das.

Das Erschaffen eines KI-Charakters mit solch einem glaubwürdigen Verhalten, der zudem dem Spieler folgt, Gegner angreift und mit Objekten interagiert, die nicht immer festgelegt sind, muss der Hauptfaktor für die Verzögerung des Spiels gewesen sein. Es ist unwahrscheinlich, dass wir in nächster Zeit etwas ähnlich Fantastisches sehen werden, wohl auch deshalb nicht, weil es einfach nicht der Mühe wert ist. So fantastisch wie Trico ist, so wenig Einfluss hat das auf die Gesamtqualität des Spiels. Wenn das Gameplay nicht interessant oder abwechslungsreich ist, die Gestaltung der Level einfach nicht gut genug, dann macht so etwas wie Trico keinen Unterschied.

Zum Glück ist das nicht der Fall in The Last Guardian. Das Gameplay, das Design und der Kontext sind gut und interessant, aber eben auch nicht mehr als das. Obwohl die Geschichte und die Verbindung zwischen dem Jungen und Trico etwas ganz Besonderes ist, wird das Spiel selbst nicht so unvergesslich, außer für einige Momente, in denen wir aber nicht einmal die Figur selbst kontrollieren. Es handelt sich um eine äußerst lineare Erfahrung, die uns einen von den Schöpfern sorgfältig definierten Pfad entlangführt. Aber da ist anfangs kaum Kontext, und da das Spiel sich weigert, einem die Hand zu halten oder den Weg zu weisen, kann es schnell frustrierende Momente geben. Das Design ist in der Regel gut genug, um uns zu suggerieren, was als nächstes zu tun ist, ohne auf billige Tricks zurückgreifen zu müssen. Aber es gibt Zeiten, in denen das Spiel ein bisschen offensichtlicher hätte sein können - und diese Momente können sehr ärgerlich sein.

Das Spiel beginnt mit dem Aufwachen des Jungen und wir er Trico findet, eine riesige und seltsame Kreatur, die verletzt ist und angekettet wurde. Nachdem er ihm geholfen hat zu entkommen, beginnen der Junge und das Biest, eine Bindung aufzubauen. Sie beginnen, einander zu helfen und gemeinsam zu fliehen. Erst fast ganz am Ende erfahren wir, warum das alles so ist. Aber auch nicht so richtig, also muss man sich seine Theorien bilden. Jenseits davon gibt es keine Motivation, das Spiel noch einmal zu spielen. Es gibt keine Extras, keine Schwierigkeitsstufen, keine Geheimnisse - und das Spiel selbst dauert zwischen fünf und sieben Stunden. Das Gameplay dreht sich ums Laufen, Springen und die Puzzle. Es gibt keine Waffen oder Kampf, da Trico allein die wenigen Feinde auf dem Weg besiegen kann. The Last Guardian spielt sich quasi von der ersten bis zur letzten Minute von selbst - und die einzige Ausnahme ist, wenn der Junge einen Schild trägt, der Licht projiziert, aber das wird man nur für ein paar Momente haben.

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Trotz des langen und schwierigen Prozesses der Entwicklung ist The Last Guardian nicht eines der besten Spiele aller Zeiten geworden.

The Last Guardian wurde als PS3-Spiel geboren, und das ist klar ersichtlich aus technischer Sicht (und ich habe es auf einer PS4 Pro gespielt). Das Modell des Jungen und die Landschaft sind eindeutig veraltet, aber das bedeutet nicht, dass das Spiel schlecht aussieht. Der sehr eigenartige Kunststil von Team Ico ist ausgezeichnet, die schiere Größe der Welt wirkt atemberaubend. Wir gehen auf winzigen Holzstangen und schauen nach unten und staunen (und keuchen) ob der unglaublichen Sichtweite sowie der Komplexität der Architektur. Anders als viele andere Spielwelten, die scheinbar gebaut wurden, um dem Gameplay zu dienen, fühlt sich das hier organisch und plausibel an. Es ist, als ob der Spieler und Trico sich an die Welt anpassen müssen, nicht umgekehrt.

Nicht zuletzt hat The Last Guardian einen ausgezeichneten Sound - und während der Soundtrack selbst nicht besonders einprägsam ist, sind die Soundeffekte absolut erstklassig. Die Schritte des Jungen und von Trico, das Knirschen von Ketten, das Geräusch von Wind und Wasser, das Atmen der Bestie, der Zusammenbruch der Steine... das alles verbindet sich zu einer wichtigen Säule, um die Illusion zu erschaffen, dass diese Welt eine ganz besondere ist.

Trotz des langen und schwierigen Prozesses der Entwicklung ist The Last Guardian aber nicht eines der besten Spiele aller Zeiten geworden, wie es einige vielleicht gehofft haben. Es ist nicht einmal das beste Spiel von Team Ico. Es ist jedoch ein gutes Spiel, ein besonderes Abenteuer, das es verdient hat, erlebt zu werden. Es ist kurz aber dennoch leicht zu empfehlen, wenn der Preis im Sale dann mal am richtigen Punkt angekommen ist. Und wer über zehn Jahre auf ein Spiel gewartet hat, kann vielleicht auch noch ein wenig länger warten. In jedem Fall wartet eine kurzlebige, aber unvergessliche Erfahrung.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Trico ist brillant, herrliche Beziehung zwischen Trico und dem Jungen, einige unvergessliche Sequenzen. Beeindruckendes Erlebnis
-
kein Wiederspielwert, nervige Kamera, wenig Abwechslung, PS3-Wurzeln allzu sichtbar, frustrierende Momente, komisches Tutorial
overall score
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